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Der sanfte Retter-Riese

Baujahr 1986, sechs Tonnen Gewicht, innen wie außen rustikal und trotzdem fast wie frisch vom Band: Der einzigartige Unimog des ASB in Wuppertal

EhrenamtKatastrophenschutzSanitätsdienst

Sebastian Oeckei strahlt vor Freude. So wie man sich eben freut, wenn ein persönliches Projekt erfolgreich abgeschlossen ist. Das Projekt – ein imposanter Unimog – thront förmlich auf dem Hof des Wuppertaler Katastrophenschutzzentrums des Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Und das Fahrzeug strahlt wie sein Fahrer, als wolle es mit tiefer Stimme sagen: „Ich bin bereit.“

Der Unimog ist seit 2014 Teil der ASB-Einsatzeinheit. Davor war er ein Bundeswehr-Fahrzeug. Die Aufgabe des Kolosses ist aber weniger grob als sein Erscheinungsbild: er soll Menschenleben retten unter Einsatz moderner Medizintechnik. Dafür hat Oeckei – von Beruf Rettungssanitäter und zudem ehrenamtlicher stellvertretender Zugführer der ASB-Katastrophenschützer in Wuppertal – seinen „Liebling“ im Fuhrpark einmal einer Generalüberholung unterzogen. Tatkräftige Unterstützung erfuhr er von seinen Kollegen Timon Ntaraklitsas – Gerätewart der Einsatzeinheit – und Inan Çoban – Elektriker und Notfallsanitäter in der Einheit, ohne deren Engagement und Fachwissen der Umbau kaum möglich gewesen wäre, wie Oeckei betont.

„Die Anforderungen des Fahrzeugs sind im zivilen Katastrophenschutz andere als das bei der Bundeswehr der Fall war“, erläutert Oeckei. Dort war der Unimog als Sanitätsfahrzeug für die Bergung von Kriegsverletzten in unwegsamem Gelände ausgelegt. Bis zu vier Personen liegend oder bis zu sieben Personen sitzend konnte er in ein Lazarett transportieren. Auch wenn das Fahrzeug mit seiner aktuellen Ausstattung immer noch mehrere Personen gleichzeitig befördern kann, so liegt der Fokus jetzt nicht mehr auf dem schnellen Abtransport von Verletzten, sondern auf der direkten Erstversorgung einzelner Patientinnen und Patienten am Unglücksort. Der Unimog bringt dabei alles mit, was auch ein gewöhnlicher ziviler Krankentransportwagen (KTW) an Bord hat, sogar noch ein bisschen mehr. Die Ausstattung entspricht einem sogenannten Notfall-KTW – ein Rettungsfahrzeug, das zwischen einem KTW und einem Rettungswagen (RTW) anzusiedeln ist. Im rustikalen Innenraum des sechs Tonnen schweren Geländegängers finden sich ein Notfall-Rucksack sowie ein spezieller Kinder-Notfall-Rucksack, ein EKG, eine Absaugpumpe zum Öffnen von Atemwegen sowie ein Beatmungsgerät. Hinzu kommt eine Schaufeltrage mit Vakuummatratze für die schonende Beförderung von Personen mit Wirbelsäulenverletzungen oder Knochenbrüchen. Beim Anblick des groben Diesel-Riesen klingt das zunächst paradox. Doch Oeckei versichert: „Tatsächlich fährt man liegend ganz schön bequem. Wir haben es selbst getestet.“

Im Cockpit des Unimog erinnert vor allem die runde Dachluke über dem Beifahrersitz an die militärische Vergangenheit. Es fällt einem Laien auf den ersten Blick zwar kaum auf, doch die Katastrophenschützer haben auch in der Fahrerkabine vieles angepasst. „Wir haben ein modernes Digitalfunkgerät inklusive Handgerät mit Ladestation an Bord. Das ist heute Standard in Fahrzeugen des Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes“, erklärt Oeckei. Das Armaturenbrett erinnert optisch zwar noch an das Baujahr des Unimog in den tiefen 1980er Jahren, doch Oeckei betont die notwendigen Eingriffe bei der Modernisierung. „Für jede neue Funktion gibt es einen neuen nachgerüsteten Schalter.“ Dass der Fußbereich komplett neu lackiert wurde, um sicher vor Rost zu sein, erscheint da schon fast wie eine beiläufige Begleitrenovierung. Was es natürlich nicht ist. Auch hier war der Arbeitsaufwand enorm – rein ehrenamtlich wohlgemerkt.

Beim aufmerksamen Gang um das Fahrzeug erläutert Oeckei die äußerlichen Erneuerungen. Hier erkennt auch der Nicht-Retter, welchen Aufwand die Katastrophenschützer betrieben haben: Neues LED-Blaulicht und Frontblitzer in zwei unterschiedlichen Höhen, um auch im Straßenverkehr besser gesehen zu werden, ein sogenanntes Presslufthorn in Ergänzung zu den einfachen Hupen als unüberhörbares Warnsignal, eine neue Umfeld-Beleuchtung an beiden Seiten für Einsätze im Dunkeln, ein neues Heck-Blaulicht sowie – nicht zu vergessen – ein Rückfahr- und Arbeitsscheinwerfer am Heck. Ausstattungsmerkmale, die den Unimog nicht nur für den Offroad-Einsatz rüsten, sondern ihn auch für Einsatzfahrten im Straßenverkehr tauglich machen.

Der lange Schnorchel, der vom Motorraum bis über das Kabinendach ragt, lässt erahnen, dass der Spezial-KTW auch besonders anspruchsvollen Situationen gewachsen ist. Mit einer Wattiefe von 1,20 Meter kann der Unimog problemlos bei Hochwasser oder Unwetter Verletzten zur Hilfe eilen – auf dem Land wie in der Stadt.

Doch das Fahrzeug ist nicht nur für den Katastrophenfall gedacht. Es fungiert vor allem als Einsatzfahrzeug bei Sanitätsdiensten mit speziellen Anforderungen. „Wir waren zum Beispiel bei einem Downhill-Mountainbike-Rennen und auch bei der Räumung der Protest-Camps im Hambacher Forst an der sanitätsdienstlichen Überwachung beteiligt“ berichtet Oeckei. Wenn es bei solchen Veranstaltungen und Aktionen in unwegsamem Gelände zu einem Unglück kommt, ist der Unimog schnell an Ort und Stelle, um Hilfe zu leisten.

Die ganze Leistungsfähigkeit des Unimog konnte die Katastrophenschutzeinheit des ASB im Mai 2019 testen, als eine groß angelegte Übung in einem Wuppertaler Steinbruch stattfand. Das Szenario war ein Erdbeben, welches eine Schülergruppe während ihres Besuchs im Steinbruch überraschte. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Fall niemals Realität wird, doch spätestens seit dieser Großübung unter realen Bedingungen in schwer zugänglichem Terrain weiß Oeckei, was der sanfte Riese unter den Rettungsfahrzeugen zu leisten im Stande ist. Und mit den jüngsten „Upgrades“ braucht er sich vor keinem Einsatz mehr zu scheuen.

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